Was machte ihr erstes eigenes Buch in deutscher Übersetzung, „Die Vegeratierin“, zu einem Wagnis? Gab es Zweifel im Verlag, in der berüchtigten Vertreterkonferenz zum Beispiel?
Klar, der Pitch – eine Frau, die sich in eine Pflanze verwandelt aus Protest gegen die herrschenden Verhältnisse, das klingt erst mal sehr speziell und wäre heute vielleicht noch schwerer durchzukriegen. Seinerzeit war es aber mehr Abenteuer als ein Wagnis. Die Lizenz war günstig zu haben, ich glaube, wir haben einen niedrigen vierstelligen Betrag gezahlt. Und im Aufbau-Verlag haben wir zu dieser Zeit mit Verlagsleiter Gunnar Cynybulk und meiner Kollegin Lina Muzur sehr nach besonderen Büchern gesucht, um das Profil des Verlages neu zu schärfen. Ich musste die beiden nicht von Han Kang überzeugen, es gab da schnell eine gemeinsame Begeisterung, und Lina Muzur hat dann auch den Titel weiterbetreut. Es war also ein echtes Gemeinschaftsprojekt. Und zum Zeitpunkt ihres Erscheinens in Deutschland gewann Han Kang den Booker International, das war gutes Timing, und dann lief es. (Auch Dank Volker Weidermanns Porträt im Spiegel.)
Wann und unter welchen Umständen haben Sie sie kennengelernt?
Wir haben uns während ihrer Lesereise in Berlin kennengelernt. Ich habe sie als sehr charismatische Frau kennengelernt. Sehr besonnen.
In ihren beiden großen Bücher „Die Vegetarierin“ und „Menschenwerk“ hat sie zur Realität des Bürgerkrieges und zur Realität einer Frau im stark patriarchalen Südkorea eine Sprache gefunden, die eine neue und besondere Anteilnahme ermöglicht hat, der es gelingt, Erfahrungen beim Lesen geradezu physisch auf die Leserinnen und Leser zu übertragen. In ihrem Heimatland hat sie das Sprechen über Realitäten, soweit ich das aus der Ferne beurteilen kann, stark beeinflusst und verändert. Ich freue mich sehr über diese Auszeichnung, weil sie beweist – bitte verzeihen Sie, dass es wie eine Phrase klingt –, dass es in der Literatur noch immer zuerst um die Sprache geht.
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