„Sie können sich leichter scheiden lassen, als einen Mieter loszuwerden“

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Berlin ist die Hauptstadt der Mieter. Knapp 85 Prozent aller Haushalte lebten 2022 zur Miete, aktuellere Zahlen gibt es bislang nicht. Gerade in Berlin ist der Mieterschutz daher ein hohes Gut – und Mietrecht ein Politikum. Über eine halbe Million Wohnungen werden von Privatpersonen vermietet, das entspricht etwa einem Drittel aller Mietwohnungen. Lohnt sich das Geschäft mit Immobilien als Privatperson? Welche Probleme birgt der angespannte Mietmarkt in Berlin für Privatvermieter? Ein Gespräch mit Privatvermieter Dr. Axel Paul zeigt: Besonders von der Politik fühlt er sich alleingelassen.

„Die Politik hat unrealistische Forderungen, wie hoch Mieten sein können. Der Mindestlohn wird in die Höhe getrieben, das lässt auch die Mieten steigen“, findet Paul. Der Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht besitzt ein Einfamilienhaus am Rande Berlins mit sieben Parteien. Außerdem ist er Vorsitzender des Haus- und Grundbesitzervereins von 1887 Berlin-Steglitz e.V. 

Besonders problematisch für Privatvermieter seien bürokratische Hürden in Berlin. „Oft sind neue Regelungen auch für Juristen kompliziert. Laienvermieter kommen da nicht zurecht. Schwer verständliche Sprache, etliche Querverweise zu anderen Gesetzestexten, ohne Jurastudium kommt man da kaum mit. Nicht umsonst gibt es eine Fachanwaltschaft für Mietrecht. Vermieter ist ein Beruf, da muss man sich einarbeiten. Mieterschutz und Rechtsprechung schießen über das Ziel hinaus, das schafft unnötig Probleme für nebenberufliche Vermieter. Wenn sie beispielsweise Fristen verpassen, etwa bei Betriebskostennachzahlungen, können sie keine Nachzahlung mehr verlangen, auch wenn sie zu Recht erhoben wurde.“ Das sei besonders für Laienvermieter mit einer Vollzeitstelle ein Problem, so Paul.

„Es gibt Fälle, da verzweifelt man“

Was für viele Mieter eine Erleichterung ist, kann für Privatvermieter zum echten Problem werden: der Kündigungsschutz. „Sie können sich leichter scheiden lassen, als einen Mieter loszuwerden“, erklärt Paul. Nicht immer sei ein fortgeführtes Mietverhältnis im beiderseitigen Interesse, Differenzen kämen vor. Eine Kündigung seitens der Vermietung sei jedoch nicht einfach. „Als Vermieter hat man keine Chance. Da müsste er mich schon im Hausflur angreifen, dass ich dem Mieter kündigen kann. Abgesehen von Eigenbedarf gibt es hier kaum Spielraum.“ Zwar gebe es in den meisten Mietverhältnissen kein so tiefes Zerwürfnis, weiß der Privatvermieter. „Aber es gibt Fälle, da verzweifelt man.“

Selbst wenn es einen triftigen Grund zur Kündigung wie nicht gezahlte Mieten gebe: Bis die Wohnung wieder frei wird, kann es dauern. „Die Gerichte sind überlastet, bis zu einer Entscheidung dauert es mitunter Monate. Selbst bei einer gewonnenen Räumungsklage kann es zu einem halben bis Dreivierteljahr Mietrückstand kommen. Das muss man sich erstmal leisten können“, so Paul. „Selbst die ‚reichen Vermieter‘ können nicht alles aus der Portokasse zahlen.“

„Der Senat muss schneller und flexibler werden“

Eine weitere Schwierigkeit für Privatvermieter: Handwerker. „Die Betriebe sind ausgelastet, Oberkante Unterlippe.“ Personalmangel und volle Auftragsbücher würden neben gestiegenen Personal- und Materialkosten zum einen die Preise in die Höhe treiben. „Zum anderen macht es das für Privatvermieter schwieriger, schnell Hilfe zu finden. Während große Firmen oft ihre eigenen Handwerker- und Hausmeisterbetriebe haben.“ Ohne feste Kooperationen mit Handwerkerfirmen sei es als Privatvermieter kaum möglich, etwa bei einer Havarie oder einer kaputten Heizung schnell Abhilfe zu schaffen.

Als Betroffener und Vorsitzender des Steglitzer Haus- und Grundbesitzervereins fordert Paul daher zukünftig möglichst einfach gestaltete Regelungen im Bau- und Mietrecht. „Wenn das für Laien verständlich ist, profitieren Mieter und Vermieter.“ Auch würde er sich wünschen, dass der Senat künftig „schnell und flexibel“ auf dem Bau- und Mietmarkt agiert und etwa Ausnahmegenehmigungen für neue Wohnhäuser in Gewerbe- oder Mischgebieten zuließe. Die Politik müsse „auch mal einen unbequeme, aber lösungsorientierten Kurs fahren“, findet der Vermieter. „Perspektivisch müsste auch der Mieterschutz dereguliert werden. Aber das ist politisch natürlich schwer umzusetzen.“

Insgesamt sei es komplizierter geworden, im kleineren Rahmen privat zu vermieten – sei es als Altersvorsorge oder aufgrund eines Erbes. Würden Privatvermieter auf dem angespannten Berliner Mietmarkt verdrängt werden, wäre das ein Verlust, so Paul. „Privatvermieter wollen meist keine Gewinnmaximierung, sondern ein ruhiges, friedliches Miteinander, oft wohnen sie ja im gleichen Haus wie ihre Mieter. Sie sind in der Regel kulanter als Investoren oder große Institutionen, die sich auch nicht immer um das Mietrecht scheren. Das versaut dann den Ruf für uns alle: ‚typischer böser Vermieter.‘“

Trotz der Schwierigkeiten rentiere sich die private Geldanlage in Immobilien, so Paul. „Ein bis zwei Prozent meiner Investition bleiben am Ende übrig – je nach Zustand des Gebäudes.“ Aus dieser Zahl seien die laufenden Kosten bereits rausgerechnet. Größere Reparaturen würden jedoch ein Loch in die eigentlich positive Bilanz schlagen. „Immobilien sind vor allem eine sehr sichere Geldanlage. Aber auch hier gilt: Umso sicherer die Anlage, desto niedriger der Zinssatz.“

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