Entscheidende Tage für die Zukunft der Ampel-Koalition: Kanzler Olaf Scholz (SPD) hat am Montag im Streit um den Kurs der Wirtschafts- und Haushaltspolitik von den Bündnispartnern „Pragmatismus“ und seriöses Arbeiten verlangt, um die Probleme zu lösen. Vor dem Koalitionsausschuss am Mittwochabend setzte er eine Reihe von Krisengesprächen mit Finanzminister Christian Lindner (FDP) und Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) an.
„Es geht darum, dass wir in ernsten Zeiten die Herausforderung bewältigen, vor denen wir stehen“, sagte Scholz in Berlin. Die Regierung sei „gewählt im Amt und wird ihre Aufgaben erledigen“. Darauf bestehe er und betonte: „Ich bin der Kanzler.“
Gesamtkonzept soll erarbeitet werden
Scholz war zuvor am Nachmittag mit Lindner und Habeck im Kanzleramt zusammengetroffen. Über konkrete Ergebnisse wurde nichts bekannt. Die Gespräche sollen am Dienstag fortgesetzt werden.
Habeck zeigte sich bei einem kurzen Presseauftritt am Nachmittag aber nun bereit, frei werdende Mittel für die vorerst nicht gebaute Intel-Chipfabrik in Magdeburg zu nutzen, um Löcher im Bundeshaushalt zu stopfen. Dies hatte Lindner gefordert.
Die Haushaltslücke zu schließen, sei „keine geringe, aber eine lösbare Herausforderung“, betonte Habeck. Der Minister appellierte an die Koalitionspartner, sie müssten „jeweils den halben Meter mehr gehen, der es auch der anderen Seite ermöglicht, diesen zu gehen“.
„Da passiert gerade Vieles unter Hochdruck“, sagte Regierungssprecher Steffen Hebestreit zur Lage in der Koalition. Ziel der Dreier-Gespräche mit Scholz, Habeck und Lindner sei es, aus den unterschiedlichen Vorschlägen „ein Gesamtkonzept“ zu erarbeiten, das für alle drei Koalitionspartner tragbar sei.
Saskia-Esken gegen Lindners Plan
Ein Ende vergangener Woche bekannt gewordenes Positionspapier Lindners hatte den Streit um die Wirtschafts- und Haushaltspolitik weiter angeheizt. Der FDP-Chef fordert darin etwa Steuersenkungen für Unternehmen, Lockerungen der Klimavorgaben und die Reduzierung von Subventionen und Sozialleistungen. Viele der Vorschläge widersprechen dem bisherigen Kurs der Bundesregierung.
Der Druck zu schnellen Entscheidungen wuchs in den vergangenen Tagen beträchtlich. Nachdem SPD-Chef Lars Klingbeil am Sonntagabend bereits von einer „Woche der Entscheidungen“ gesprochen hatte, verlangte FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai nun, beim Koalitionsausschuss am Mittwoch müssten „sehr konkrete Dinge“ vereinbart werden, um der Wirtschaft im Deutschland Impulse zu geben. Grundlage dafür müssten Lindners Vorschläge sein.
SPD-Chefin Saskia Esken sagte jedoch, sie betrachte Lindners Papier als Teil des Wahlkampfs. Sie habe darin keinen Vorschlag gefunden, der es verdient hätte, „in dieser sozialdemokratisch geführten Regierung umgesetzt zu werden“.
CDU fordert Neuwahlen
Djir-Sarai ließ offen, ob die FDP die Koalition mit der SPD und den Grünen verlassen werde, sollte sich Lindner nicht durchsetzen. Das FDP-Präsidium stellte sich seinen Angaben zufolge einstimmig hinter das Konzeptpapier des Finanzministers. Zeit Online meldete Drastischeres: „FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai schloss ein Ende der Ampel noch in dieser Woche nicht aus“, hieß es am Montagabend bei Zeit Online. Ob die Koalition nach Mittwoch noch existiert? „Das wird man sehen.“
Esken wiederum betonte, die SPD wolle an der Ampel-Koalition festhalten. „Wir haben überhaupt gar keine Neigung, die Koalition platzen zu lassen“, sagte sie. Vom Koalitionsausschuss erwarte sie eine Klärung, was die die Stärkung der Wirtschaft angeht. „Was wir nicht brauchen, sind Querschüsse und Gegenveranstaltungen.“
Auch Grünen-Chef Omid Nouripour betonte, seine Partei wolle keinen Bruch der Ampel-Koalition. Die Grünen gingen davon aus, dass auch „andere vertragstreu sind und wir die Arbeit, die wir hier miteinander machen, zu Ende bringen“, sagte er. Dies sei „ein Gebot des Anstands“.
Die CDU-Führung forderte die Bundesregierung „so schnell wie möglich“ zu Neuwahlen auf. „Die ‚Ampel‘ muss staatspolitische Verantwortung übernehmen und die Sache beenden“, sagte CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann.
„Deutschland braucht keine Koalition, die sich auf Therapiesitzungen mit sich selbst beschäftigt“, erklärte AfD-Chefin Alice Weidel. Nötig sei „eine Regierung, die den wirtschaftlichen Absturz unseres Landes stoppt“.
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