Ein paar Zentimeter weiter rechts und plötzlich wäre der 1. FC Union Berlin in Führung, möglicherweise wenige Minuten später sogar als Sieger vom Feld gegangen. Der Pfostenschuss von Yorbe Vertessen in dieser 86. Minute war die bis dahin die größte Chance der Eisernen, aber eben kein Tor. Offensiv wollte nicht viel gelingen, defensiv aber hatten die Eisernen bei Borussia Mönchengladbach alles im Griff. Aber: Als alles auf ein torloses Unentschieden hinauslief, flankte Robin Hack auf Tomas Cvancara und traf für die Gastgeber in der sechsten Minute der Nachspielzeit zum späten 1:0 (0:0)-Sieg – für die Eisernen die erste Niederlage im fünften Spiel.
Union ist nach vier Spielen schon besser als nach 13 in der Vorsaison
Wie gut die Arbeit von Bo Svensson beim 1. FC Union Berlin bislang zu bewerten ist, konnte sich schon vor dem Anpfiff auf dem Bökelberg aus einigen Zahlen ablesen lassen. Als eins von nur drei Teams hatten die Eisernen bis zum Sonnabend noch kein Spiel verloren. Die Mannschaft von Svensson hatte zudem, genau wie RB Leipzig, nur zwei Gegentore in vier Spielen kassiert: Ligabestwert. Ein anderer, vereinsinterner Wert im Vergleich zur Vorsaison aber machte deutlich, wie gut der Bundesliga-Start tatsächlich gelungen war: Die acht Punkte nach vier Partien unter dem neuen Trainer hatte das Team in der vergangenen Spielzeit am 13. Spieltag (7) noch nicht erreicht. Erst am 14. Spieltag, und da schloss sich am Samstagnachmittag der Kreis, konnte mit einem 3:1-Sieg gegen Borussia Mönchengladbach die zweistellige Punktemarke erreicht werden.
Genau das, einen neuerlichen Sieg gegen die Borussia, dürfte Bo Svensson in seinem fünften Spiel als Cheftrainer der Köpenicker im Sinn gehabt haben, als er sich für dieselbe Startelf gegenüber der Vorwoche beim 2:1-Erfolg gegen die TSG 1899 Hoffenheim entschied. Der Däne also begann wieder mit Jordan Siebatcheu, dem er zuletzt öffentlich den Rücken stärkte, in der Offensive und tat das wohl auch verbunden mit dem Gedanken, dass der Angreifer an letztjähriger Wirkungsstätte besonders heiß auf seinen ersten Saisontreffer sein würde. Ansonsten aber „können wir nur aus Teamstärke funktionieren und müssen es mit Leben füllen“, sagte Svensson vor der Partie am Mikrofon von TV-Sender Sky.
Matthias Koch/Imago
Das tat seine Mannschaft vom Anpfiff in fast schon gewohnt kompakter Manier. Ruhig und ohne großes Risiko im Spielaufbau, früh anlaufend in der gegnerischen Hälfte und Flanken schlagend zumeist von der linken Seite. Zweimal setzte so Tom Rothe von dort Benedikt Hollerbach in Szene, zweimal kam der Außenstürmer zum Abschluss, zweimal aber ohne für richtig große Gefahr mit seinen Schüssen zu sorgen. Den selbstbewussten Auftritt der Eisernen honorierten die rund 3000 mitgereisten Fans mit hörbaren Union-Sprechchören.
Aber während auf den anderen Plätzen der Samstagnachmittagsspiele so nach und nach in den ersten 20 Minuten auch die ersten Treffer fielen, blieb es in Mönchengladbach erst einmal weiter torlos. Das lag auch daran, dass nach starker Anfangsphase der Union nach gut 15 Minuten auch die Gastgeber zu mehr Spielanteilen kam und die Eisernen selbst nicht mehr ganz offensiv in das Pressing gingen.
Borussia Mönchengladbach hat die beste Torchance
Für welche Probleme das sorgen kann, schien Bo Svensson zu erahnen und war spätestens in der 26. Minute für die Zuschauer zu sehen. Nach einem schnell über die linke Seite vorgetragenen Angriff spielte der Ex-Hertha Luca Netz einen feinen Pass in den Rücken der Union-Dreierabwehrkette und fand dort Kevin Stöger, der mit seiner Direktabnahme nur knapp über das Tor von Union-Keeper Frederik Rönnow schoss. Die bis dahin größte Chance der Partie blieb aus Union-Sicht ungenutzt, aber war ein klares Signal, dass auch die Gastgeber verspätet in diesem Spiel angekommen waren. Und die sollten bis zur Halbzeit auch die bessere Mannschaft bleiben, hatten beim Gang in die Kabinen mehr Ballbesitz, mehr Torschüsse, mehr gewonnene Zweikämpfe und deutlich mehr Pässe in den Statistiken zur Partie zu verzeichnen. Während aber in allen anderen vier Partien jeweils mindestens ein Tor gefallen war, gingen Mönchengladbach und der 1. FC Union Berlin ohne Treffer in die Pause.
In dieser reagierte Bo Svensson auf die nachlassende Leistung seiner Mannschaft, nahm den defensiv anfälligen Rothe raus und wechselte Leopold Querfeld ein. Das Ziel war klar: größere Stabilität gegen und längere Besitzphasen mit dem Ball. Ersteres klappte in der Folge ganz ordentlich, offensiv aber konnte der Schwung der ersten Viertelstunde nicht wiederhergestellt werden. Also legte der dänische Cheftrainer personell nach, brachte Yorbe Vertessen für den bemühten, aber glücklos agierenden Woo-Yeong Jeong (62.), in der 79. Minute musste auch Siebatcheu vom Platz und wurde durch Tim Skarke ersetzt. Gut zehn Minuten vor dem regulären Ende war die Partie weiterhin die einzig torlose an diesem Bundesliga-Nachmittag.
Doch die Schlussphase hatte es in sich. Vertessen scheiterte fünf Minuten vor dem Ende am Pfosten und Mönchengladbach traf in der sechsten Minute der Nachspielzeit zum 1:0. Der einzige Treffer in diesem Spiel war ein ganz später und entriss den Eisernen zumindest einen Punkt.
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