Neben der erhitzten Diskussion über die Finanzierung für die Entwicklungsländer geht der eigentliche Klimaschutz auf der Weltklimakonferenz der Vereinten Nationen in Baku etwas unter. Eigentlich lautet das Ziel, dass demnächst viele der fast 200 teilnehmenden Regierungen neue Nationale Klimabeiträge vorstellen sollen, auf Englisch NDC abgekürzt. Doch die wenigsten haben das bisher getan. Und das, obgleich der G-20-Gipfel der führenden Industrie- und Schwellenländer in Rio de Janeiro gerade erst daran erinnerte, dass die NDC dringend an das Ziel angepasst werden müssten, die Erderwärmung bis zum Jahrhundertende auf 1,5 Grad im Vergleich zur vorindustriellen Zeit zu begrenzen.
Dieser Zusammenhang war 2021 und 2022 auf den Weltklimakonferenzen in Glasgow und in Scharm el-Scheich in einem „Arbeitsprogramm zur Treibhausgasminderung“ festgeschrieben worden, um „dringend den Ehrgeiz und die Umsetzung von Minderungsmaßnahmen zu verstärken“. Doch sind die Verhandlungen dazu auf der diesjährigen, COP29 genannten Konferenz kein Stück vorangekommen. Das liegt auch daran, dass dort die geforderte stärkere CO2-Verringerung in einen Zusammenhang mit den Klimafinanzen gebracht wird.
Bisher zahlen die Industriestaaten jedes Jahr 100 Milliarden Dollar für Programme in den Entwicklungsländern zum Klimaschutz und zur Anpassung an den Klimawandel. Für dieses Instrument muss in Baku eine Anschlussregelung gefunden werden. Die Empfänger fordern viel mehr Geld, die Rede ist von 1,3 Billionen Dollar. Die Geber aber sind zur Aufstockung nur bereit, wenn auch neureiche Nationen wie China oder die vom Öl- und Gasboom profitierenden Förderstaaten einzahlen. Diese zählen gemäß einer UN-Liste von 1992 weiterhin zu den Entwicklungsländern. Die zweite Bedingung der Zahler ist, dass die begünstigten Staaten ihre Ambitionen im Klimaschutz erhöhen sollten – hier kommen die Minderungsziele ins Spiel.
Wer genau zuhört, hört Kritik
Wer genau zuhörte, konnte am Mittwoch aus einer Rede von Bundesaußenministerin Annalena Baerbock heraushören, wie festgefahren die Sache in Baku ist. Die grüne Politikerin war krank, weshalb Klimastaatssekretärin Jennifer Morgan die Rede im Konferenzplenum vorlas. „Alle müssen Verantwortung übernehmen, transparent und vor allem gemäß ihrer wirtschaftlichen Stärke im Hier und Jetzt“, sagte Morgan mit Blick auf Bremser in Baku.
Wichtig sei, den Privatsektor in die Verantwortung zu nehmen, hatte Baerbock aufgeschrieben. Der Zugang zur Klimafinanzierung für bedürftige Länder müsse einfacher werden. „Und wir brauchen ehrgeizige Ergebnisse bei der Minderung.“ Es sei unverzichtbar, wie 2023 in Dubai vereinbart den „Übergang weg von fossilen Brennstoffen“ einzuleiten, den Ausbau erneuerbarer Energien bis 2030 zu verdreifachen und die Energieeffizienz zu verdoppeln, appellierte Morgan in dem Wissen, dass einige Regierungen, darunter jene in Riad, diese Bekenntnisse in den Beschlüssen von Baku nicht wiederholt sehen wollen.
Die Bundesregierung sieht sich ihrerseits auf einem guten Weg. Der Rede zufolge schließt Deutschland im laufenden Jahr 16 Kohlekraftwerke. Inzwischen deckten erneuerbare Energien fast 60 Prozent des Stromverbrauchs. Die Gasnutzung sinke, das Netz sei eines der stabilsten der Welt.
Baerbocks Rede wurde dann noch einmal deutlich in Richtung der Widerstände, der sich die progressiven Delegationen in Baku gegenübersehen. „All denen, die daran denken, die Uhr zurückzudrehen, sage ich: Seien Sie gewarnt“, mahnte Morgan für die Außenministerin. „Die Lösungen für die Klimakrise bieten die größten wirtschaftlichen Möglichen für diese Generation.“ Die Investitionen in grüne Energien seien doppelt so hoch wie jene in fossile Träger. „Kein Investor will, dass seine Investitionen stranden, also lassen sie uns diese Möglichkeiten nutzen“, warb Morgan.
Die Vertreter der Öl- und Gasstaaten dürften den Aufruf zur Umkehr gehört haben. Viele in Baku bezweifeln aber, dass sie sich ihn zu Herzen nehmen, schon gar nicht aus wirtschaftlichen Gründen. Der Öl- und Gassektor habe in den vergangenen 50 Jahren 3,7 Milliarden Euro verdient, sagt der Chef der Umweltorganisation Germanwatch, Christoph Bals, „jeden Tag“.
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