E-fuels: Kosten, verfügbare Mengen und Konkurrenz zum Elektroauto

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Klima-Kraftstoffe: Nicht nur für die Luftfahrt – Experte räumt mit Vorurteil über E-Fuels auf

Das Elektroauto tut sich in vielen Ländern Europas noch schwer, ohne hohe Subventionen in die Spur zu kommen. Sind in Zukunft Autos mit Klima-Kraftstoffen eine Alternative? Im Interview erklärt Ralf Diemer von der E-Fuel Alliance, wovon das abhängt.

Das  Verbrenner-Verbot 2035 wirft seine Schatten voraus: In knapp zehn Jahren sind in der EU alle Neuwagen mit Benzin- und Dieselmotoren sowie alle Hybridfahrzeuge inklusive der derzeit wieder beliebterten Plug-In-Hybride verboten. Eine Ausnahme könnte es für Fahrzeuge geben, die ausschließlich mit sogenannten E-Fuels betankt werden; doch einen rechtlichen Rahmen gibt es dafür noch nicht. E-Fuels sind quasi die nächste Ausbaustufe von bereits erhältlichen Klima-Kraftstoffen wie HVO 100 .

E-Fuels ab 2035 – wie realistisch ist das?

Ralf Diemer ist Geschäftsführer der E-Fuel Alliance. Der Verband, zu dessen Mitgliedern unter anderem Kraftstoff-Produzenten, Autohersteller wie Mazda und Iveco,  das neue chinesisch-europäische Joint-Venture Horse Powertrains sowie verschiedene Autozulieferer gehören, fordert von Brüssel Klarheit beim Thema E-Fuels und verbindliche rechtliche Rahmenbedingungen. Im Interview mit FOCUS online spricht Diemer darüber, ob und wann mit der Massenproduktion von E-Fuels zu rechnen ist und was sie die Autofahrerinnen und Autofahrer an der Zapfsäule kosten würden.

FOCUS online: Ein entscheidendes Argument gegen E-Fuels ist die geringe Verfügbarkeit. Was ist denn überhaupt realistisch – wie viel Prozent des europäischen oder deutschen Straßenverkehrs könnten mit synthetischen Kraftstoffen ersetzt werden, sagen wir in den nächsten fünf Jahren?

Ralf Diemer: Wir haben uns mit unseren Mitgliedern, mit Vertretern der gesamten Wertschöpfungskette von E-Fuels darauf verständigt, dass im Jahr 2030 im europäischen Kraftstoffmarkt fünf Prozent aller Kraftstoffe durch E-Fuels ersetzt werden können. Es gibt verschiedene Regulierungen, die den Hochlauf dieser Kraftstoffe befördern könnten. Doch die Regulatorik klammert den Straßenverkehr aus und verfolgt eine reine Elektrifizierung. Damit fällt der größte Markt weg – und zwar der mit der höchsten Zahlungsbereitschaft. Mit einer 5-%igen Beimischung lassen sich 7 Cent Mehrkosten pro Liter erreichen. Das sind Kosten, die viele Kunden durchaus bereit wären zu bezahlen, vor allem, wenn sie sich kein neues Auto kaufen können oder wollen.

Autofahrer müssen sich warm anziehen: Benzinpreise steigen weiter

„Mit Beimischung Mehrkosten von 7 Cent pro Liter“

Wir versuchen in Europa eine neue Industrie zu etablieren, die hohe Anfangsinvestitionen braucht. Doch als Abnehmer ist der Markt zu unattraktiv. Die Politik versucht, den Markt mit Kraftstoffen rein für die Luftfahrt und Schifffahrt anzukurbeln, weil die EU der Auffassung ist, man müsse vermeintlich knappe E-Fuels für diese Bereiche „reservieren“. Denn bei Flugzeugen und Schiffen im Transport-Sektor gibt es nun einmal keine Elektro-Alternative.

Nun sind die Fluggesellschaften aber keine großen Fans davon, aus einem simplen Grund: Ihnen sind die Kosten für Klima-Kraftstoffe zu hoch.

Ralf Diemer: Tatsächlich ist die Zahlungsbereitschaft in diesen Branchen wesentlich geringer, weil man die Kosten nicht ohne weiteres auf die Ticket-Preise aufschlagen kann. 35 bis 40 Prozent der Kosten einer Airline entfallen auf den Treibstoff. Natürlich wissen die Fluggesellschaften, dass sie Alternativen brauchen, weil sie mit herkömmlichem Kerosin nicht klimaneutral fliegen können. Der Bedarf an erneuerbaren Kraftstoffen ist hoch.

Ohne E-Fuels für den Straßenverkehr kein bezahlbarer Klima-Sprit für Flugzeuge

Was immer unerwähnt bleibt: Wir brauchen den Straßenverkehr als Katalysator, um große Anlagen zu finanzieren. Wenn ich zum Beispiel über die Fischer-Tropsch-Produktionsroute synthetischen Diesel produziere, fällt als Nebenprodukt unter anderem auch Kerosin an. Das schafft Synergieeffekte und bedeutet: Erst wenn ich die Anlage für den Straßenverkehr produzieren lasse und Skaleneffekte erziele, kann ich günstigeres Klima-Kerosin produzieren.

Das hieße ja dann, dass ein von den Grünen und Klima-Lobbyverbänden angeführtes Argument gegen E-Fuels – es gibt davon zu wenig, so dass wir es für Flug- und Schiffsverkehr reservieren müssen – der Realität widerspricht.

Ralf Diemer: Im Prinzip ist das so, ja. In Europa werden die wichtigsten Quoten für diesen Bereich in der Erneuerbare-Energien-Richtlinie festgelegt. Ich sprach eingangs von fünf Prozent E-Fuels im Jahr 2030. Die Investitionen dafür müssten allerdings jetzt getätigt werden, denn bis diese Anlagen stehen, dauert es ein paar Jahre.

Chinas E-Auto-Erfolg wirft unangenehme Fragen für Deutschland auf

„E-Fuels auf absehbare Zeit teurer als fossile Kraftstoffe“

Das Europäische Parlament hat sogar eine höhere Quote vorgeschlagen. Am Ende einigte man sich auf ein Prozent mit einer Mehrfach-Anrechnung, real also nur 0,5 Prozent. Das ist viel zu wenig.

Warum wurde denn die Quote von der EU so niedrig angesetzt? Eigentlich setzt die EU sich ja eher unrealistisch hohe oder zumindest extrem ambitionierte Ziele, etwa bei der E-Mobilität und bei den Klimazielen.

Ralf Diemer: Zum einen gibt es in Brüssel Ideologen, die sagen: Wir wollen E-Fuels höchstens für den Flug- und Schiffsverkehr. Tatsächlich passen diese 0,5 Prozent ziemlich genau zu den Bedürfnissen der Luft- und Schifffahrt im Jahr 2030. Außerdem gibt es Bedenken bei einigen EU-Ländern, die sagen: Unsere Bürger können sich teurere Klima-Kraftstoffe nicht leisten. Wir müssen bei den Fakten bleiben: E-Fuels sind auf absehbare Zeit teurer als fossile Kraftstoffe.

Was genau heißt denn „teurer“, in Cent pro Liter ausgedrückt?

Ralf Diemer: Bauen wir industrialisierte Produktionsanlagen in Gebieten mit viel und günstigem Sonnen- und Windstrom, heben wir Skaleneffekte und können Produktionskosten von unter 2 Euro pro Liter erzielen. Zum Vergleich: Beim fossilen Sprit liegen diese Kosten bei rund 80 Cent. Der Großteil des Spritpreises besteht aus Steuern. Um E-Fuels wettbewerbsfähig zu machen, müssen diese gesenkt werden – ein logischer Schritt, denn die Steuern werden ja auch aus Umwelt- bzw. Klimaschutz-Gründen erhoben. Bieten wir eine E-Fuel-Beimischung an, wird aus den vermeintlich unbezahlbaren E-Fuels tatsächlich ein Business Case. Konkret reden wir dann wie schon erwähnt von rund 7 Cent mehr pro Liter.

Das heißt, es wäre vorstellbar, dass Autofahrer ähnlich wie jetzt beim Benzin E5 und E10 eine Art „E-Fuel5“ oder „E-Fuel10“ tanken?

Ralf Diemer: Ja, wobei es zu Beginn wohl eher „E-Fuel20“ wäre, also mit 20 Prozent Anteil an erneuerbaren Kraftstoffen (Bio- und E-Fuels). Das Ganze steht und fällt jedenfalls mit der Quoten-Regelung. Das ist dieselbe Logik, mit der man bei der E-Mobilität faktische Elektro-Quoten festgelegt hat: Je mehr E-Autos produziert und verkauft werden, desto größer sind die Skalen-Effekte und desto billiger – so zumindest die Hoffnung der Politik – werden die E-Autos.

Bei der Emobilität ist Europa von China komplett abhängig

Diese Hoffnung hat sich bisher aber noch nicht erfüllt. E-Autos sind oft immer noch deutlich teurer als vergleichbare Verbrenner, zumindest in der Anschaffung.

Ralf Diemer: Das ist ein komplexes Thema. China hat ein Quasi-Monopol bei der Verarbeitung des wichtigen Batterie-Rohstoffes Lithium. Sie kommen beim E-Auto schlicht nicht an China vorbei. China diktiert die Preise.

Wir haben viele Präsentationen von Unternehmensberatungen gesehen, auf denen schon vor Jahren die Kostenparität zwischen E-Auto und Verbrenner angekündigt wurde. Dieser Punkt, der „Break-Even“, sollte spätestens 2025 erreicht werden. Was vergessen wird: Warum sollte China uns die Rohstoffe oder Batteriezellen billiger verkaufen? Das sind Aspekte, die sowohl von der Politik als auch den Automobilherstellern meines Erachtens falsch eingeschätzt wurden.

Der amerikanische Autobauer Ford setzt ab sofort nicht mehr auf vollelektrische SUVs. Das Unternehmen will nun verstärkt auf Hybride setzen. Mit dem kostspieligen Strategiewechsel will Ford langfristig Geld sparen.

Aber auch bei E-Fuels ist man doch abhängig von Rohstoffen und billiger Energie.

Ralf Diemer: Es gibt keine Abhängigkeit, die mit der in der E-Mobilität vergleichbar wäre. China hat uns weder bei Elektrolyseuren zur Wasserstoff-Produktion noch bei Raffinerien etwas voraus. Das können wir alles selbst.

Hat denn China auch im Bereich E-Fuels Ambitionen? Ein Verbrenner-Verbot wie in der EU gibt es in China ja explizit nicht, und knapp die Hälfte aller in den China derzeit als „New Energy Vehicles“ verkauften Fahrzeuge haben als Hybride noch einen Verbrenner an Bord.

Ralf Diemer: China verfolgt die Strategie, in jedem technologischen Bereich führend zu sein. Wir nehmen wahr, dass es diese Ambitionen auch bei der Wasserstoffproduktion gibt, inklusive massiver staatlicher Förderung und der gesetzlichen Grundlagen. Ganz deutlich: China setzt nicht nur auf das Elektroauto.

„Selbst Elektroauto-Gigant BYD produziert viele Hybride und Verbrenner“

Selbst Elektro-Gigant BYD produziert viele Hybride und Verbrennerfahrzeuge. Natürlich gibt es in China Autohersteller, die ausschließlich Elektroautos produzieren. Und wenn Sie heute in Shanghai ein Auto zulassen und es schnell gehen muss, dann wird das im Zweifel ein von Beschränkungen ausgenommenes Elektroauto sein. Aber das gilt nicht für alle Hersteller und nicht für ganz China.

Ausgerechnet Geely, einer der größten chinesischen Hersteller und Mercedes-Aktionär, produziert und entwickelt zusammen mit Volvo und Renault im neuen Joint-Venture „Horse“ neue Verbrenner und Hybridmotoren.

Ralf Diemer: So ist es. Horse ist gerade Mitglied in unserer Allianz geworden. Diese Eindimensionalität, die wir in Europa bei der Diskussion ums Auto und die E-Mobilität haben, war schon immer erstaunlich. In China dominiert diese Eindimensionalität nicht und übrigens auch nicht in anderen Teilen der Welt.

Deutsche Autobauer geben Verbrenner auf – jetzt übernehmen die Chinesen

Jetzt hat der Kraftstoff-Lobbyverband Uniti vor einigen Wochen ein Rechtsgutachten vorgestellt, nach dem die Strafzahlungen, die die Autohersteller bei Nicht-Erfüllung ihrer Elektroauto-Quoten in der EU leisten müssen, nicht rechtmäßig sein könnten. Glauben Sie, dass die Autohersteller sich gegen die Strafzahlungen wehren werden?

Ralf Diemer: Diese Diskussion, ob es eine Rechtsgrundlage für die Strafzahlungen gibt, ist nicht neu. Rechtlich gibt es unterschiedliche Auffassungen. Bisher war es so, dass Hersteller diese Strafzahlungen vermeiden konnten, weil der E-Auto-Absatz ausreichend war, oder innerhalb eines Konzern mittels „Pooling“ höhere und niedrigere E-Auto-Zahlen untereinander ausgeglichen werden konnten. Zur Not – das ist auch schon passiert – hat man einfach weniger Verbrenner verkauft.

Ab 2025 könnten Autoherstellern Milliarden-Strafen drohen

Diese Politik können sich die Hersteller langfristig nicht leisten. Wenn der Hochlauf der E-Mobilität weiter so schleppend verläuft, haben womöglich schon im Jahr 2025 viele Hersteller das Problem, Strafzahlungen leisten zu müssen. Dazu kommen weitere Herausforderungen, die die Automobilindustrie stemmen muss. Ich gehe davon aus, dass die Diskussion spätestens, wenn Brüssel Strafzahlungen für weite Teile einer Branche verhängen sollte, ordentlich an Fahrt aufnehmen wird.

Das heißt, die Autohersteller werden Ihrer Meinung nach die EU verklagen?

Ralf Diemer: Wenn sich das vermeiden lässt, glaube ich das nicht. Daran hat keiner ein wirkliches Interesse und solche Klagen dauern ihre Zeit. Ich glaube eher, dass es eine politische Diskussion geben wird, ob die bestehende Regulierung im Abgleich mit der Realität wirklich Sinn ergibt.

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