Berlin. Die Verunsicherung ist hoch in der Berliner Wirtschaft. In einigen Branchen wird die Lage immer dramatischer. Doch es gibt auch Lichtblicke.
Der Aufschwung ist noch immer nicht in Sicht. Laut einer repräsentativen Umfrage der IHK und Handwerkskammer ist die Stimmung in der Berliner Unternehmerschaft so schlecht wie lange nicht mehr. „Es gibt erhebliche Verunsicherung“, sagte Jürgen Wittke am Donnerstag bei der Vorstellung der Konjunkturumfrage. „Wir erleben derzeit die längste konjunkturelle Schwächephase seit den frühen 2000er Jahren“, betonte der Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer Berlin.
Vor allem fehlt es an Hoffnung. „Die Unternehmen befürchten, dass die mangelhaften wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen zum dauerhaften Bremsklotz werden“, betonte Jan Eder, Hauptgeschäftsführer der IHK Berlin. Knapp 60 Prozent der mehr als 900 befragten Unternehmen sehen ihre wirtschaftliche Entwicklung dadurch gefährdet.
Allerdings ist die Lage nicht überall gleich schlecht. So kommen etwa aus der Industrie positive Signale. Noch im Frühsommer hatten 31 Prozent der von der IHK und Handwerkskammer befragten Industrieunternehmen die Lage als gut bewertet, nun sind es schon 47 Prozent. Auch im Gastgewerbe bewerten viele die letzten Monate als gut (28 Prozent) oder zufriedenstellend (53). Stabil ist die Lage dem Bericht nach auch im Gesundheitsgewerbe.
Autowerkstätten verzeichnen einen Boom
Herausragend positiv ist die Lage laut Wittke aber vor allem in einer Branche: dem KfZ-Gewerbe. Die Branche verzeichne derzeit einen „regelrechten Boom“, betont er. Der Geschäftsklimaindex stehe im KfZ-Gewerbe bei 129 Punkten. „Das ist der beste Wert der letzten 20 Jahre“, erläutert Wittke. Die Unternehmen hätten derzeit sehr positive Auftragseingänge.
Grund für den Boom ist laut Wittke das schwächelnde Neuwagengeschäfft. Statt ein neues Auto zu kaufen, steckten viele Menschen ihr Geld lieber in Gebrauchtwagen. Alte Autos fahren somit länger, viele Werkstätten machen so gute Geschäfte. Ökonomisch nachhaltig ist dieser Trend natürlich nicht. Schließlich sind die Neuwagen von heute die Gebrauchtwagen von morgen. „Mittelfristig“ sei diese Entwicklung deshalb nicht gut, betont Wittke.
Deutschlandweit lagen die Zulassungszahlen im vergangen Monat sieben Prozent unter denen des Vorjahres. In der Politik wird derzeit diskutiert, die anhaltenden Absatzschwäche der Autohersteller mit finanziellen Kaufanreizen zu überwinden.
Krise im Handel und Baugewerbe immer größer
Weiterhin problematisch ist die Lage im Handel. Nur vier Prozent aller befragten Handelsunternehmen haben Investitionspläne. Etwa ein Drittel berichtet von schlecht laufenden Geschäften. In der Frühjahrsumfrage waren es nur ein Viertel gewesen. Vielerorts in der Stadt haben sich größere Lücken in den Ladenzeilen der Einkaufszentren gebildet. Hilfszusagen der Politik konnten die Stimmung offensichtlich nicht verbessern. 38 Prozent der Unternehmen erwarten in den kommenden Monaten schlechtere Geschäfte. Im Frühjahr waren es noch 26 Prozent gewesen.
Immer dramatischer wird die Lage auch im Baugewerbe. Laut Umfrage rechnen nur vier Prozent der Unternehmerinnen und Unternehmer in den kommenden Monaten mit besseren Geschäften. Im Frühjahr waren es noch 17 Prozent gewesen.
Auch die Fachgemeinschaft Bau sieht kein Licht am Ende des Tunnels. „Die Auftragseingänge im Baugewerbe sind weiter massiv rückläufig“, betonte Katarzyna Urbanczyk-Siwek, Geschäftsführerin des Verbands, in einer Mitteilung am Donnerstag. „Im Wohnungsbau sind die Aufträge im Vergleich zu den ersten acht Monaten 2024 in Berlin um rund 25 und in Brandenburg um 15 Prozent zurückgegangen“, teilte sie mit. Um die Situation zu verbessern, fordert Urbanczyk-Siwek mehr Investitionen des Staates in Hochbauten und Infrastruktur.
Das sich die Investitionszurückhaltung in der Hauptstadtregion verfestigt, zeigt auch die Konjunkturumfrage. Die Investitionsbereitschaft der Unternehmen ist so schlecht wie seit vier Jahren nicht mehr. „Es sieht nicht gut aus für Investitonen in der Stadt“, konstatiert Eder. Er rechnet nicht mehr damit, dass Berlin in diesem Jahr das vom Senat erwartete Wirtschaftswachstum von zwei Prozent erreichen kann.
Laut Amt für Statistik stieg das Bruttoinlandsprodukt der Hauptstadt in den ersten sechs Monaten nur um 0,3 Prozent. „Wenn wir ein Prozent schaffen wollen, müssen wir uns anstrengen“, betonte Eder.
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