So einfach konnte Neele V. mehr als sieben Millionen Euro klauen – für ein Leben in Dubai

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Offenbar ist es ganz einfach gewesen, mehr als sieben Millionen Euro von dem Geldtransportunternehmen Prosegur in Potsdam zu stehlen. Wenn man hier etwas klauen wolle, müsse man nur den Müll rausbringen, soll eine Kollegin von Neele V. einmal in einer Raucherpause geäußert haben. Beide arbeiteten zu dieser Zeit bei dem Geldtransportunternehmen.

Neele V. fand den Gedanken offenbar so reizvoll, dass sie ihn in die Tat umsetzte. Immerhin sei die Idee besser gewesen als der ursprünglich von ihrem Komplizen geplante Coup. Denn Mohamed B., so nennt die Angeklagte ihren Mittäter, wollte ursprünglich einen Geldtransporter vor der Bundesbank überfallen. „Ich wollte aber nicht, dass jemand verletzt wird“, sagt Neele V.

Es ist Dienstagvormittag, als die 27-Jährige am Landgericht Potsdam ein umfassendes Geständnis ablegt. In dem Verfahren muss sich die einstige Prosegur-Schichtleiterin wegen gemeinschaftlichen schweren Diebstahls verantworten. Staatsanwältin Janina Dinse wirft ihr vor, mit einem Mittäter einem gemeinsamen Tatplan folgend am 2. September vorigen Jahres zwischen 4.55 Uhr und 5.42 Uhr aus den Geldschränken der Werttransportfirma 7.370.000 Euro entwendet, sie in Müllsäcke verpackt und aus der Firma geschmuggelt zu haben.

Dort soll ihr Mittäter das Geld später mit einem roten VW Touran abgeholt haben. Auch einen Grund nennt die Staatsanwältin: Neele V. und ihr Komplize hätten mit dem Geld ein neues Leben in Dubai beginnen wollen. Bei einer Verurteilung droht der Angeklagten eine Haftstrafe von bis zu zehn Jahren.

Neele V. wirkt nicht aufgeregt, sondern spricht ruhig, beantwortet jede Frage, die ihr die Richter und Schöffen sowie die Staatsanwältin stellen. Nur die Frage nach dem Verbleib der Beute vermag sie nicht zu beantworten – oder sie will es nicht. „Ich weiß es nicht“, sagt sie mehrfach. Ihr Komplize, ein Mohamed B., habe das Geld waschen wollen. Wie das geschehen sollte, auch das wisse sie nicht. In der Anklage ist noch von einem Volkan Ö. als gesondert Verfolgtem die Rede.

Vorweggenommen kann werden, dass es die 27-Jährige durchaus bis Dubai geschafft hat, jedoch nur für kurze Zeit und offenbar allein und ohne den Schotter, von dem sie sich, wie sie selbst sagt, „ein sorgenfreies Leben“ versprach.

Angeklagte arbeitete seit 2022 bei Prosegur

Neele V. ist 13 Jahre zur Schule gegangen, hat das Fachabitur für Sozialwesen gemacht und wollte eigentlich Erzieherin werden. Doch die Lehre brach sie ab, arbeitete dann an einer Supermarktkasse und bei der Diakonie. Bis sie das Jobinserat von Prosegur sah und sich bewarb.

Im Februar 2022 fing die junge Frau mit den langen dunkelblonden Haaren und dem hübschen Gesicht in der Potsdamer Dependance an, wurde im Dezember desselben Jahres zur Schichtleiterin ernannt. 1800 Euro brutto verdiente sie, dazu kamen Schichtzulagen. Das ist nicht gerade viel für eine Angestellte, durch deren Hände jeden Tag verlockende Hunderttausende Euro gehen.

Mohamed B., ein nach den Worten der Angeklagten 32 Jahre alter Mann, will Nele V. 2019 über eine Dating-App kennengelernt haben. Sie wurden intim. Dann kam die Angeklagte mit Volkan Ö. zusammen, der in der Anklage steht. Er aber, so sagt es Neele V., habe mit dem Coup nichts zu tun. Sie habe Volkan Ö. bereits zwei Monate vor der Tat verlassen.

Glaubt man Neele V., dann soll Mohamed B., den die Angeklagte irgendwann wiedergetroffen haben will, den Tatplan geschmiedet haben. Sie habe ihn von der Idee, den Millionen-Diebstahl gewaltfrei durchzuziehen, überzeugen können.

Was am Tattag geschah, erzählt Neele V. so: Kurz vor fünf Uhr morgens an jenem Tag erschien Neele V. zur Frühschicht. Aus den Metallschränken nahm sie wie geplant das Geld und stopfte es in fünf oder sechs Müllsäcke, die sie dann zu den anderen, regulär mit Müll gefüllten Säcken auf einen Wagen lud.

Einen Kollegen vom Bereich Tresor fragte sie dann, ob sie den Müll hinausbringen dürfe. „Es konnte bisher noch nie jemand allein Müll rausbringen“, sagt die Angeklagte. Sie durfte es, wenn auch etwas später. Ein Kollege rief die Sicherheitszentrale im Haus an, der dortige Mitarbeiter öffnete ihr die Schleuse.

Neele V. wollte mit gefälschtem Pass in die Türkei einreisen

Den richtigen Müll kippte Neele V. in die Presse, die Säcke mit dem Geld stellte sie daneben. Dann ging sie zurück, arbeitete bis zum Schichtende weiter, fuhr anschließend nach Hause, holte ihre gepackten Koffer, nahm sich ein Taxi zum Zentralen Busbahnhof in Berlin, fuhr von dort mit dem Bus nach Prag und zum dortigen Flughafen. Sie nahm einen Flug in die Türkei, nach Antalya.

Eigentlich wollte sie nach Izmir weiterfliegen. Dort sollte am nächsten Tag auch Mohamed B. eintreffen. Doch Neele V. wurde nicht in die Türkei gelassen. Der Grund: ihr gefälschter Pass, den ihr Mohamed B. gegeben haben soll, und der auf den Namen Mira Demirel ausgestellt war. Die türkischen Behörden schickten sie noch am selben Tag nach Berlin zurück. Unklar ist, warum sie wegen der Passfälschung nicht festgenommen wurde.

In Berlin traf sie sich nach eigenen Worten mit ihrem einstigen Freund Volkan Ö. „Ich wollte einen Rat, was ich machen sollte“, so Neele V. Doch ihr einstiger Partner habe nicht in die Sache mit hineingezogen werden wollen. Schließlich erwarb sie ein Bahnticket, fuhr mit dem ICE nach Hamburg und flog von dort nach Dubai. Nach ihren Worten bezahlte sie das Hotel dort von ihrem Ersparten. Sie habe sich von dem geklauten Geld nichts eingesteckt, versichert die Angeklagte.

Schon am 5. September wurde Volkan Ö. von einem Spezialeinsatzkommando in Spandau festgenommen, die Wohnung durchsucht. Sie habe davon von seinem Bruder erfahren, sagt Neele V. Er habe ihr geschrieben, dass sie zurückkehren müsse, damit Volkan Ö. aus der U-Haft entlassen werden könne.

Am 18. Oktober stellte sich die Angeklagte, nach der international gefahndet wurde, in der Schweiz den Behörden. Seit Mitte November sitzt sie im brandenburgischen Luckau-Duben in Untersuchungshaft.

Der Mitarbeiter aus der Sicherheitszentrale von Prosegur ist seit der Tat freigestellt, der Kollege, der ihr erlaubt hatte, den Müll hinauszubringen, hat einen Aufhebungsvertrag erhalten. So erzählen es die beiden Männer an diesem ersten Verhandlungstag als Zeugen vor Gericht. Sie sagen auch, dass ihnen am Tattag nichts Verdächtiges aufgefallen sei an Neele V.

Mohamed B. und das Geld sind seit der Tat verschwunden. Neele V. sagt, sie sei schon immer sehr vertrauensselig gewesen. In ihrer Anklage hat die Staatsanwältin gefordert, von der Angeklagten einen Geldbetrag in Höhe von 7,3 Millionen Euro einzuziehen.

Der Prozess wird am Freitag fortgesetzt.

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